Wenn Sie schon einmal Tai Chi bzw. Qigong in Bewegung gesehen haben, ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass es so gut wie keine kantigen oder abgehackten Bewegungen gibt. Die Übergänge zwischen den einzelnen Bewegungen sind weich und rund. Dies ist kein Zufall und liegt wesentlich an sehr feinen Spiral- und Kreisbewegungen.
Vorbild dafür ist die Natur: Viele Bewegungen laufen spiralförmig ab, denken Sie nur an verschiedene Bewegungsformen von Wasser (Strudel, Strömungen) und Luft (Hoch- und Tiefdruckgebiete). Selbst ganze Galaxien zeigen in ihrer Ausdehnung eine Spiralform.
Die Natur bedient sich aber nicht nur bei Bewegungen der Spiralform, sondern auch bei Strukturen. Ansehnliche Beispiele sind Schneckenhäuser, Tierhörner, Muscheln und viele Pflanzen. Bei uns Menschen zum Beispiel die DNA, die Gehörschnecke oder Muskelketten.
Spiralbewegungen sind also in der Natur ein bewährtes Mittel, das man sich im Tai Chi und Qigong zunutze macht.
Elastische Struktur
Mit Hilfe der Spiral- und Kreisbewegungen entsteht insgesamt eine elastische Struktur. Das gesamte System von Muskeln, Sehnen, Bändern und insbesondere auch Faszien wird optimal eingesetzt. Wie bei einem aufgepumpten Ball sind die Bewegungen weder starr noch schlaff, sondern elastisch. Es entsteht eine Federkraft, die einen Druckimpuls wieder zurückwirft. Um dies zu realisieren, muss man die wesentlichen Richtungsvektoren im Raum (vorne-hinten, rechts-links, oben-unten) bei den Bewegungen intelligent kombinieren und einsetzen.
Die Gelenke spielen eine wichtige Rolle, da sie bei der Bewegungsübertragung von einem Körperbereich zum anderen Sollbruchstellen darstellen. Durch die Praxis von Tai Chi und Qigong lernt man, die Gelenke in ihrer von Natur aus vorgesehenen Weise einzusetzen und sie durchlässig zu lassen. Daher können die Bewegungen auch oft von Menschen ausgeführt werden, die bei anderen Bewegungsarten zu starke Beschwerden in den Gelenken haben.
Das Tai Chi-Symbol
Der Charakter der Bewegungen passt zum allgemein bekannten Tai Chi-Symbol. Dieses ist eingefasst in einen großen Kreis und enthält im Innern zwei kleinere Kreise. Die Trennlinie zwischen weißer und schwarzer Hälfte steht für die Spirale. Wenn man sich das Symbol dreidimensional nach vorne in den Raum hinein im Uhrzeigersinn rotierend vorstellt, entsteht ebenfalls eine Spiralbewegung.
Selbstversuch mit Wasserflaschen
Mit einem einfachen Versuch können Sie sich selbst von der Effektivität von Kreis- und Spiralbewegungen überzeugen. Dazu nehmen Sie sich zwei gleich große und gleich hoch mit Wasser gefüllte Wasserflaschen. Mit der linken und rechten Hand greifen Sie jeweils eine Flasche in der Mitte und drehen beide Flaschen zeitgleich über einem Waschbecken oder Eimer nach unten, so dass das Wasser herausläuft.
Mit der einen Hand halten Sie die Flasche in Ruheposition und lassen das Wasser so herauslaufen, wie es sich ergibt. Mit der anderen Hand beschreiben Sie mit der Flasche kleine Kreise bzw. Spiralen. Wenn Sie merken, dass sich ein kleiner Strudel bildet, passen Sie die Handbewegung dem Wasserfluss an, so dass sich der Strudel verstärkt. Wenn der Bewegungsrhythmus korrekt ist, fließt das Wasser durch die Spiralbewegung deutlich schneller heraus als bei der anderen Flasche in Ruheposition.